Kulturzentrum
2016-09-27 19:00

Schneewittchen – Stillleben

Anna Gruber in Zusammenarbeit mit Mairania 857

Fotoausstellung von Anna Gruber. Die Ausstellung zeigt sechs Großformat-Bilder, die das Verhältnis zwischen Mensch und Erde auf künstlerische Art und Weise anhand der Grimmschen Märchengestalt problematisieren. Für weitere Infos clicken Sie auf den Titel.

Eröffnung: Dienstag 27.09.2016, 19.00 UhrÖffnungszeiten: Dienstag-Samstag 11.00-13.00 / 16.00-22.30 Uhr. Eintritt frei

Zugegeben: Schneewittchen gibt es nicht. Das ist einer der Gründe, warum es in den Fotoarbeiten von Anna Gruber aus den Tiefen des kollektiven Märchenbewusstseins aufersteht und als traumhafte Erscheinung anderer Welten durch eine natura morta, ein Stilleben wandelt.
Schnell wird deutlich: Hier stimmt etwas nicht. Zum einen steckt Schneewittchen selbst in einem Dilemma, das sich zwischen Traum und Vergangenheit, Zukunft und Realität bewegt. Das Stilleben; ein Glashaus im Herbst, Pflanzen, die sich auf den Winter vorbereiten und eine vereinsamte Hummel, die im Einmachglas nur als Relikt einer vergan¬genen Zeit erspürt werden kann, dient als perfekte Metapher für eine Natur, die wir eingekesselt, eingeschlossen, eingefriedet, aber keineswegs befriedet haben. Dort, wo sie sich im gläsernen Raum befindet, ist sie aufbewahrt und kontrolliert, sie befindet sich sozusagen im Rückwärtsgang, im Sich-Zurücknehmen.
Durch diese neue Zeit der vermeintlichen Kontrolle des Natürlichen, seiner Bändigung wider die eigene Natur geistert jenes Schneewittchen, das bereits in seiner ursprünglichen Variante in den gesammelten Erzählungen der Gebrüder Grimm eine gewisse Naivität aufzuweisen vermochte. Schneewittchen schaut mit großen Augen jene Welt, die der Mensch geschaffen hat, auch diejenige, die mit scheinbar Natürlichem gestaltet ist. Für uns ist es Schneewit¬tchens kindlicher Blick, der uns erst einmal kalt lassen könnte. Ach, das ist nur das naive Schneewittchen, mögen wir denken. Und doch klopft durch die Hintertüre des eigenen Bewusstseins die Erkenntnis, dass Schneewittchens Staunen berechtigt sein könnte. Wie geht es der Natur mit uns? Kann sie mit uns Menschen gut gedeihen? Ermöglichen wir der Natur, im Einklang mit uns zu leben? Die leisen Zweifel werden dort lauter, wo das aus weit entfernten Orten und Zeiten auferstandene Schneewittchen an genau jenem Zustand erkrankt, den wir schon lange – bewusst oder unbewusst – akzeptiert haben. Doch in einem Stillleben lebt nichts mehr. Es ist lediglich Abbild eines vormals Leben¬digen.
Wumms! Schon liegt das schöne Kind mausetot danieder. Spätestens jetzt ist aus dem Klopfen in unserem Hinterkopf ein Hämmern geworden. Die Arbeit von Anna Gruber wirft Fragen auf, die nicht beantwortet werden müssen. Sch¬neewittchen muss sterben, bevor es wachgeküsst werden kann. Doch dazu müsste dieses heutige Stillleben der Na¬tur in eine verwandelt werden, die neben Märchenwesen wie Schneewittchen noch eine Vielfalt anderer am Leben erhalten könnte. Katharina Hohenstein.

Mit-Herausgeberin u. -Redaktionsleitung Südtiroler Kunst- und Kulturzeitschrift vissidarte